So, in meinem letzten Blog ging es um unsere ersten (und wohlverdienten!) Kurzferien! Jetzt widmen wir uns mal der Arbeit:
Ich, Sven, unterstütze das Kinder-/Patenschaftsprogramm „ANNA“ (Acompañamiento de Niños, Niñas y Adolescentes – Begleitung von Kindern und Jugendlichen). Das Programm hat sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche zwischen 6-18 Jahren in ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu begleiten. 320 Kinder aus schwierigen finanziellen und/oder familiären Verhältnissen sind Teil dieses Programms und werden bis zu ihrer Volljährigkeit begleitet. Dabei wird jedes Kind durch eine Patenschaft mit einem deutschen Paten finanziell unterstützt. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie wichtig für viele Kinder und Familien, aber auch für die Dörfer insgesamt diese monatlichen Gelder sind! Denn mit diesem Geld werden nicht nur z.B. Schulmaterialien und Schulbeiträge bezahlt, sondern auch z.B. ein Gesundheitsfond, der es diesen Kindern erlaubt, dringend benötigte medizinische Hilfe zu erhalten (der peruanische Staat übernimmt hier kaum etwas). Für einige Kinder und Familien ist diese Hilfe essentiell. Wir haben z.B. mehrere Kinder in dem Programm, die ihre Eltern verloren haben und bei entfernten Verwandten untergebracht sind, die niemals in der Lage wären, für diese Gelder aufzukommen.
Leider haben auch die Schulen mit denen wir zusammenarbeiten diese Unterstützung bitter nötig. „ANNA“ bezahlt nicht nur das teure Satelliten-Internet in den Dorfschulen, sondern sorgt auch in einigen Schulen für grundlegende Ausstattung wie Stühle, eine Tafel, aber auch Strom und Wasser. Als ich dies das erste Mal gehört und gesehen habe, habe ich meine Chefin Eli verwundert und erschüttert gefragt: „Ist das nicht eigentlich die Aufgabe vom Staat?“ Sie meinte nur zu mir: „Ja, eigentlich…“ Es ist traurig zu sagen, aber der peruanische Staat und auch das Bildungsministerium HABEN das Geld, um all dies zu bezahlen, aber durch die unglaubliche Korruption versickern all diese Gelder in den Taschen korrupter Beamter oder Politiker. Besonders der indigenen Bevölkerung in Peru fehlen dadurch unglaublich viele Mittel, da sie politisch kaum vertreten sind und kein Sprachrohr haben, um für ihre (in der Verfassung garantierten!) Rechte einzutreten.
Neben all diesen wichtigen materiellen und finanziellen Hilfen ist der wichtigste Teil der Arbeit aber eigentlich die soziale Begleitung der Kinder in ihrer Entwicklung.
Und hier beginnt unsere Arbeit…
Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Programm „ANNA“ versucht, durch Workshops (auch für Eltern), Schul- und Hausbesuche, Gespräche, Exkursionen und natürlich auch Spiel und Spaß den Kindern zu zeigen, dass sie nicht alleine sind und am allerwichtigsten, dass sie das Träumen nicht verlernen. Träumen fragt ihr euch? Ja, träumen. Erst durch meine Arbeit hier ist mir bewusst geworden, wie wichtig Träume im Leben sind und es überhaupt nicht selbstverständlich ist, sie zu haben! Aber mehr dazu im nächsten Blog, wenn ich mehr über das Leben der Yanesha schreibe.
Um euch die Arbeit etwas anschaulicher zu erklären, nehme ich euch mal mit in unseren Alltag:
Erst einmal… wer sind eigentlich „wir“ von denen ich die ganze Zeit rede? „Wir“ sind der Chef des Programms Lercio (ausgebildeter Pastor), Lucero (Psychologin), Beatrice (Informatikerin und Praktikantin fürs Büro) und Sven (unerfahrener „Gringo“-Freiwilliger).
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Lucero, "Gringo" & Lercio
So. Und hier fängt auch schon das Problem an, das wir jede Woche aufs Neue haben… Wir sind für die Arbeit viel zu wenig Leute! Ihr müsst euch vorstellen: Wir arbeiten mit 320 Kindern an 11 verschiedenen Standorten, die zum Teil 4 ½ Autostunden entfernt sind. Das Patenschaftsprogramm umfasst nämlich nicht nur Kinder in den 8 indigenen Yanesha-Dörfern mit denen „Atiycuy Perú“ zusammenarbeitet, sondern auch Kinder in den anliegenden Dörfern der Naturschutzkonzession von „Atiycuy Perú“ und auch in Villa Rica selbst (das Dorf in dem das Projektzentrum ist und ich auch wohne).
Und wenn ich sage, dass Kinder in einem Dorf wohnen, meine ich, dass sie in einem Umkreis von einem einstündigen Fußmarsch durch den Dschungel um das Dorf
(“-zentrum“) herum wohnen… Und jetzt müsst ihr euch vorstellen, was passiert, wenn ein Hausbesuch bei einem von diesen Kindern ansteht. Da man ja im tiefsten Dschungel ist, kann man nicht einfach schnell eine Nachricht schreiben oder jemanden anrufen… Man läuft vielmehr diese Stunde zu dem Haus mitten im Dschungel. Dort stellt sich dann aber manchmal heraus, dass das Kind gerade unterwegs ist und erst in einer Stunde wieder da ist. Dann wartet man also eine Stunde, da man ja schließlich schon ewig durch den Dschungel gewatschelt ist. So. Das Kind ist aber ein Peruaner und richtet sich leider nicht nach deutscher Pünktlichkeit. Es kommt also erst mehrere Stunden später wieder. Das heißt, wir sitzen den halben Tag nur rum für den Hausbesuch von EINEM von 320 Kindern… Warum erzähle ich euch da so ausführlich? Damit ihr versteht, wie verdammt kompliziert diese Arbeit hier ist und versteht, dass 4 Personen dafür absolut nicht ausreichen!
"finde den Weg" Teil 1, 2 und 3 #hoffentlichhältdieseilbahn
Aber wie sieht denn jetzt mein normaler Arbeitsalltag aus?
Nun. Alltag gibt es hier nicht wirklich.
Meine Woche beginnt dann normalerweise montags erst einmal mit Bürokram. Ich ordne und bearbeite Fotos, erstelle Abrechnungen, dokumentiere Spenden für die Kinder und deren Familien, übersetze die halbjährlichen Grüße für die deutschen Paten oder helfe bei der Planung von Workshops. Dann steht die wöchentliche Teamsitzung an und abends folgt der wöchentliche Yeñoño-Unterricht (die Sprache der Yanesha).
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Wenn man gedacht hat, dass Deutsch eine schwere Sprache ist und man dann im Yeñoño-Unterricht landet und eines Besseren belehrt wird…
Dienstags bis donnerstags fahren wir dann meistens in die Dörfer. Das heißt, zwischen 4-6 Uhr morgens aufstehen (kommt auf das Dorf an), 2 - 4 ½ Stunden mit dem Auto über irgendwelche Schotter-Ruckelpisten fahren (da kann man leider während der Fahrt auch nicht im Auto schlafen…) und dann eventuell noch 1 Stunde mit Gummistiefeln durch den Dschungel wandern und Flüsse furten, um zum Dorf zu kommen. Dann steht morgens in der Dorfschule ein Workshop an (zu z.B. Selbstbewusstsein, Träume, kulturelle Identität etc.) Zu der Zeit hat man dann auch schon eine Schicht aus Schweiß, Sonnencreme und Moskitomittel auf der Haut... Mittags folgen Hausbesuche und Einzelgespräche mit den Kindern und Familien und abends steht dann Spiel und Spaß mit Fußball, Lagerfeuer und Teamspielen auf dem Programm. Meistens übernachten wir dann auch in dem Dorf und fahren am nächsten Tag dann in ein anderes Dorf weiter. Wenn wir nicht übernachten, heißt das, dass wir alles wieder zurückfahren müssen.
Workshop "Elternschule"
Was ist meine Aufgabe? Ich helfe bei der Durchführung bei all dem (z.B. bei den Workshops, Anwesenheitslisten, Dokumentation, Spielen), aber ich bin auch der „Herr der Fotos“! Wir brauchen für die Dokumentationsarbeit und für die Nachweise für die deutschen Spender von jeder einzelnen Aktivität Fotos. Da kommen in einer Woche auch mal mehrere hundert Fotos zusammen. Zudem brauchen wir für die halbjährlichen Grüße an die deutschen Paten von jedem Kind mindestens ein Bild, dass ich aufnehmen muss. Und nicht zu vergessen: die ganze harte Arbeit, die ich habe, wenn ich mit den Kindern spielen „muss“!
Freitags folgt dann wieder Büroarbeit und nachmittags ein Workshop in Villa Rica.
Dorfschule in dem Dorf "Machca Bocaz" & nach getaner Arbeit kommt die Belohnung: Flussbaden mit Wasserfall
Irgendwie quetsche ich zusätzlich dann zu der ganzen Arbeit natürlich auch noch mein Training mit in den Tag rein. Sei es um 6:30 Uhr morgens vor der Arbeit oder um 22 Uhr abends nach einer Fahrt in ein Dorf, mein zweites Zuhause, das gleich benachbarte Fitnessstudio „Palavicini“, ist immer für mich da! Und überraschenderweise tatsächlich auch super ausgestattet.
Oder es steht auch mal um 23 Uhr abends eine Fußballpartie mit dem Team an.
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mein zweites Zuhause - das Fitnessstudio "Palavicini"
Und jetzt noch das Wichtigste: meine wöchentlichen kulinarischen Erlebnisse! Denn während der Arbeit im Projektzentrum haben wir - zum Glück - eine Köchin, die für uns kocht. Aber wenn wir in die Dörfer fahren natürlich nicht. Da sieht unser Essensplan dann folgendermaßen aus:
- morgens: Reis + Maniok/ Bananen + Fleisch/Fisch
- mittags: Reis + Maniok/ Bananen + Fleisch/Fisch
- abends: Reis + Maniok/ Bananen + Fleisch/Fisch
Gemüse ist in hier ein Fremdwort. Das Schlimmste für mich ist aber immer noch das stammeseigene alkoholische Volksgetränk der Yanesha: MASATO (jedes Volk braucht anscheinend irgendeine Art von Alkohol…)
Morgens… mittags… abends… nachts… es gibt keinen Anlass bei denen nicht mindestens ein Yanesha stolz einen Plastikeimer mit selbstgebrauten unglaublich sauren Masato mitbringt… Und wenn dann der eine Becher zwischen allen rumgereicht wird, wäre es viel zu unhöflich abzulehnen - auch wenn mein Magen sich das manchmal vor dem Frühstück wünschen würde!
Ganz ehrlich… ich glaube, mein Immunsystem wird nach diesem Jahr dann nichts mehr so schnell umhauen.
So sieht also eine „normale“ Woche nach unserem Jahresplan aus. Nur läuft selten eine Woche wirklich so ab… Die letzten Wochen waren wir z.B. damit beschäftigt, Schulmaterialien für alle 320 Kinder zusammenzustellen, zu packen, auszuteilen, die Spenden zu dokumentieren und die Schulgelder zu bezahlen. Klingt simpel… aber… PACKT IHR MAL EINE WOCHE LANG JEDEN TAG 8 STUNDEN SCHULMATERIALIEN! Dann wisst ihr was Monotonie heißt… Da blieb leider nicht viel Zeit für Workshops oder Hausbesuche – die kommen jetzt aber die nächsten Wochen. Nochmal Schulsachen packen, würde ich auch nicht überleben!
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Schulsachen für 320 Kinder packen #spaß
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320-mal 100 Blatt Papier abzählen #nochmehrspaß
Das Krasse bei der Arbeit hier bei „Atiycuy Perú“ ist aber tatsächlich, dass es kein Ende gibt. Es gibt immer irgendwas zu tun oder eine Person/ eine Familie/ein Dorf, das Hilfe braucht. Und es kann immer MEHR gemacht werden. Und wenn ein Projekt oder eine Aufgabe abgeschlossen ist, gibt es 5 neue. Deswegen habe ich mittlerweile auch einen riesigen Respekt vor dem Team hier. Einige arbeiten wirklich Tag und Nacht, um den Yanesha zu helfen – leider auch manchmal auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit und ihres Familienlebens.
Aber ich bin stolz darauf, dieses Jahr meinen Teil zum Traum von „Atiycuy Perú“ beitragen zu können:
„Juntos para una vida digna“
(„Gemeinsam für ein Leben in Würde“)
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