Wie war dein Jahr? Wie war das Essen? Hast du deine Familie nicht vermisst? – Gut, gut, nein…
Diese Fragen und viele mehr werden mir in einem Monat gestellt werden. Wer weiß, vielleicht kann ich die meisten davon ja hier schon beantworten.
Mein FSJ in Costa Rica war eine der besten Entscheidungen, die ich getroffen habe, denn es hat mich unglaublich viel gelehrt. Dinge wie, wie reagiere ich auf schlechte Situationen, an denen ich aber nichts ändern kann, wie gehe ich mit den Kids um, wenn sie mich nicht respektieren, wie organisiere ich mein Leben ohne meine Eltern, wie ist meine Haltung gegenüber Religion.
Ich möchte gar nicht anfangen von den Reisen und den unglaublichen Orten die ich gesehen habe, von der Natur, den Stränden, den Wasserfällen. Denn allein in meinem Projekt durfte ich bereits so viel lernen.
Meine Arbeit hier ist quasi mein Traumberuf. Spielen, lachen, Spaß haben, lehren. Als Betreuer:innen in dem Kinderheim sind wir neben der Beaufsichtigung der Kinder auch für deren Entwicklung mit zuständig. Mir wurde hier bewusst, wie viele Dinge mir von klein auf beigebracht wurden, die ich nicht mal bemerkte.
Ich rede hier von Kleinigkeiten wie:
o Bitte und Danke sagen,
o auf eine Frage wie es einem geht reagieren und die Rückfrage stellen,
o begrüßen und verabschieden.
Wenn es um das Verhalten geht:
o Lernen zu teilen
o Lernen seine Emotionen zu kontrollieren,
o sich auch mal zurücknehmen,
o niemanden beleidigen, schlagen, bespucken oder beißen,
o lernen
miteinander zu kommunizieren,
o nach dem Spielen, seine Spielsachen wegzuräumen und dann erst etwas Neues herauszuholen,
und zu vermitteln, dass alles was man tut Konsequenzen hat.
In Sachen Bildung:
o Wie heißen die Farben und Formen
o die Zahle
n von 1-10,
o wie schneidet und klebt man,
o wie hält man den Stift,
o welchen Laut macht welches Tier,
o Allgemeinwissen durch Quizz Spiele z.B. in welcher Stadt ist Hogar de Vida und in welchem Land,
o welche Länder gibt es,
o wie heißen die Kontinente,
o welche Sprachen gibt es,
o wie entsteht Donner,
o welche Planeten gibt es, und so weiter und so fort.
Es gibt unglaublich viele Dinge, die die Kinder im Heim von 5 Jahren nicht wissen oder nicht können, die ein Kind, das in einer normalen Familie aufwächst, bereits ab einem Alter von 2 Jahren weiß, bzw. kann.
Gerade im Bereich „Verhalten“ habe ich gelernt, wie wichtig es für die Kinder und Betreuer:in ist, dass man klare Vorgaben und klare Konsequenzen setzt. Dem Kind muss bewusst sein, was passiert, wenn er sich gegen die Regeln verhält. Wenn ich zum Beispiel sage: „Wenn du dich schlecht benimmst, dann setze ich dich 5min zum Reflektieren an die Seite“, ist nicht klar definiert, was genau mit schlechten Benehmen gemeint ist.
Wenn ich stattdessen aber klar mache: „Wenn du andere schlägst, spuckt, beißt oder trittst setze ich dich an die Seite“, hat das Kind die Möglichkeit dem bewusst zu folgen.
So hat man als Betreuer klare Anhaltspunkte, welche Konsequenzen man für welches Verhalten zieht, und das Kind kann anfangen dich zu respektieren und zu vertrauen, da es weiß, es kann sich auf dich und deine Worte verlassen.
Ich war vorher nie wirklich super streng zu Kindern, habe aber bei meiner Arbeit hier gemerkt, wie wichtig Grenzen gerade für Kinder aus schwierigem sozialem Umfeld sind, die Meisten hatten diese nämlich nie. So drücken sie ihr Liebe zum Beispiel durch beißen oder schlagen aus, respektieren den Körper anderer nicht, provozieren bis zum geht nicht mehr, benutzen eine gewaltvolle Sprache und handeln ebenso gewaltvoll. Oftmals verstehen sie nicht einmal die Bedeutung der Worte, die sie als Beleidigung nutzen.
Unsere Aufgabe ist es, Ihnen all das zu erklären, sie zu lehren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Es ist unglaublich, wie schnell die Kinder all das aufnehmen und sich in kurzer Zeit im Heim in eine positive Richtung entwickeln!
Ein anderer Punkt, der uns in der Begleitung der Kinder wichtig ist, ist die Entwicklung ihrer Selbstständigkeit. Wir wissen nicht, in welchem Zustand die Familie ist, wenn die Kinder zurück in ihre Familie gehen. Dementsprechend sollten die Kinder in der Lage sein, einige Alltagsaktivitäten alleine zu bewerkstelligen.
So zieht sich bei uns jedes Kind, egal ob 1 Jahr oder 8 Jahre alt, selbst um. Klar, bei den jüngeren Kindern kann man ab und zu mal Hilfestellung leisten. Grundsätzlich ist es jedoch die Aufgabe des Kindes sich auszuziehen und jedes Kleidungsstück auch selbst wieder anzuziehen. So habe ich hier gelernt und mit eigenen Augen gesehen, dass bereits 1-Jährige ihre Socken selbst an ihren Fuß bekommen, auch wenn es vielleicht ein paar Minuten länger dauern kann.
Genauso wäscht auch jedes Kind nach jedem Essen seinen eigenen Teller, sein Besteck und seinen Becher - natürlich unter Aufsicht. Das macht sogar den 2-jährigen Spaß.
Ansonsten helfen sie den Erwachsenen die Kleidung zusammen zu legen, waschen ihre Unterhosen oder Strümpfe, sollten sie sie besonders dreckig gemacht haben, oder waschen ihre Schuhe und Gummistiefel. Oft tragen die Kinder ihren eigenen Stuhl an den Tisch und stellen ihn am Ende wieder zurück auf seinen Platz. Außerdem holen sich die Kinder ihr Essen selbst ab, wenn ihr Name aufgerufen wird.
Ich persönlich finde es sehr faszinierend, was diese Kinder in so jungem Alter bereits alles tun, und vor allem tun können und ich hoffe wirklich, dass sie diese Dinge immer im Kopf behalten.
Natürlich ist ein Kinderheim kein Trainingslager, auch der Spaß, die Liebe und das Spiel darf nicht zu kurz kommen. So geht es um die gute Balance zwischen Lernen und Lachen :)
So wird viel Zeit draußen verbracht, auf den Spielplätzen, beim Ballspielen oder Kreide malen. Es werden Filmabende mit Popcorn veranstaltet, Tanzsessions (es ist wirklich unglaublich, wie gerne die Kinder tanzen), Pyjamaparties und so vieles mehr.
Dieser Ort hat mir so viel Liebe und Erfahrung gegeben, so viel Freude, dass ich ihn echt sehr ungern verlasse. Ich kann jedoch mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich eines Tages zurückkehren werde.
Ich hoffe und weiß eigentlich auch, dass diese Arbeit nicht nur mir, sondern ich auch den Kindern etwas mitgeben konnte. Von Lektionen über richtig und falsch, über tiefsinnige Gespräche von Alpträumen und Schlafproblemen bis hin zu den paar Wortfetzen Deutsch, die ich ihnen beigebracht habe.
Mich hat die Arbeit viel Geduld, Schweiß und Herz gekostet, aber es war alle Mühe mehr als wert.
Hier in Costa Rica habe ich quasi in meinem Projekt gelebt, aber man darf nicht vergessen, dass mir dieses Land zusätzlich auch viele kulinarische Genüsse beschert hat, die ich wirklich vermissen werde, auch wenn mein Konsum von Reis und Bohnen vermutlich erstmal radikal absteigen wird:))
Zudem kommen die tollen Naturerlebnisse, die Tiere und die Freundschaften, die ich hier machen durfte, dazu. Alles weitere Gründe, um nochmal an dieses Fleckchen Erde zurückzukehren.
Ich kann wirklich jedem empfehlen einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Costa Rica oder sonst wo auf der Erde zu machen. Lasst euch nicht zurückhalten, nicht von Freunden und nicht von der Familie. Klar vermisst man Familie und Freunde hin und wieder mal - aber es ist die Erfahrungen, die man sammelt ein für alle Mal Wert!!
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